, Brigitte Kunz

Die Freude am Radsport ist immer noch da

Lukas Rutishauser und Matthias Studer bestritten jahrelang Radsport auf hohem Niveau. Nun erzählen die beiden, warum sie ab und zu immer noch ein Rennen bestreiten und sprechen über ihre berufliche Laufbahn.

Aadorf – Matthias Studer bestritt im zarten Alter von vier Jahren sein erstes Bikerennen. Im Biketeam Aadorf wurde er gross und feierte viele Erfolge. Etwas später begann die Laufbahn von Lukas Rutishauser, welcher in der Radsportschule Elgg/Aadorf viel lernte und später für den RMV Elgg Radrennen bestritt.

 

Vize-Schweizermeistertitel

Lukas Rutishauser erzählt, dass er mit 13 mit dem Radrennsport begonnen habe. Zuerst absolvierte er die Radsportschule in Elgg. «Bruno Wolfer rund Godi Schmutz haben uns das ABC des Radsports beigebracht.» Als grössten Erfolg in seiner Karriere bezeichnet Rutishauser den Vize-Schweizermeister in der Kategorie U19. Danach folgte vier Jahre in der Kategorie U23. «Es war eine coole Zeit, es lief Matthias und mir sehr gut und so hat es doppelt Spass gemacht, zusammen Rennen zu fahren. Auch die Rennen im Ausland waren toll, es lief einfach rund.» Das letzte Jahr bestritten Lukas Rutishauser und Matthias Studer im Team von Roberto Marchetti. «Auch wenn nicht immer alles rund lief, es hat trotzdem Spass gemacht und wir haben tolle Erfahrungen gesammelt auch innerhalb vom Team.» «Nun sind die Zeiten definitiv vorbei, wo man mitten in der Nacht von einem Rennen nach Hause kommt und am anderen Morgen wieder zur Arbeit gehen muss. Auch die stundenlangen Autofahrten von Rennen zu Rennen vermisse ich nicht», sagt Rutishauser. Im Jahr 2017 beendete der in Wittenwil aufgewachsene Rutishauser seine Karriere, da er den Zivildienst absolvieren musste. Und dann «sollte man ja auch noch irgendwann Geld verdienen. Heute betreue ich beeinträchtigte Menschen in einer Werkstatt in Urdorf.»

 

Coole Truppe

Matthias Studer hingegen bestritt bereits im Alter von vier Jahren sein erstes Bikerennen. «Ich fuhr anfangs Bikerennen und im zweiten Jahr U15 kam ich in die Radsportschule Elgg/Aadorf. Immer mehr war ich mit dem Rennvelo unterwegs. Beide Sportarten zusammen auszuüben ist relativ schwierig. Und so entschied ich mich für das Rennrad.» Sowohl Matthias Studer wie auch Lukas Rutishauser bezeichnen die Zeit in der Radsportschule Elgg und die darauffolgenden Kategorien als prägend mit der «coolen Truppe», mit welcher sie jahrelang Wochenende für Wochenende unterwegs waren. «Das war für mich schon ausschlaggebend, mich dem Radrennsport zu widmen», sagt Studer. Und seither sind die beiden auch viel gemeinsam unterwegs.

 

Pfeiffrisches Drüsenfieber

Matthias Studer lernte Zweiradmechaniker. In dieser Zeit versuchte er den Sport und die Lehre unter einen Hut zu bringen. Nach der Lehre arbeitete er Teilzeit, um sich vermehrt dem Sport zu widmen. Die Zeit in der Kategorie U23 sieht Studer als Höhepunkte seiner Karriere. «Es ist schon toll, wenn du immer vorne mitfahren kannst. Die Saison vor dem Aufstieg in die Elite-Kategorie war echt cool, auch zusammen mit Lukas Rutishauser. Wir bestritten zusammen Trainingslager auf Teneriffa. Auch die ganze Saison lief gut, ich freute mich auf die Rennen. Ich war im Flow. Es war auch toll, wenn ein Radprofi wie beispielsweise Silvan Dillier am Start stand. Das war echt super, mich mit den Radprofis zu messen.» Er schaffte die Qualifikation in die Kategorie Elite. Das pfeiffrische Drüsenfieber wurde ihm jedoch zum Verhängnis. «Die Krankheit hatte zur Folge, dass ich mein Können nie richtig umsetzen konnte. Ich fuhr mit angezogener Handbremse. Ich wurde teils richtig ‘parkiert’ und bereits nach kurzer Zeit aus dem Feld abgehängt. Es ist nicht gerade motivierend, von Rennfahrern abgehängt zu werden, welche du in guten Zeiten fast rückwärts überholt hättest. Ich hatte die Krankheit nie richtig auskuriert und es bereitete mir keine Freude mehr, so Radrennen zu bestreiten.»

 

Weiterbildung zum Arbeitsagogen

Durch den Zivildienst kam Lukas Rutishauser zu seinem heutigen Beruf. Er absolvierte den Zivildienst und anschliessend ein Praktikum mit Menschen mit einer Beeinträchtigung. Nun steht Rutishauser im letzten Jahr in der Ausbildung zum Arbeitsagogen. Die Ausbildung dauert zweieinhalb Jahre und wird berufsbegleitend absolviert. «In dieser Branche werde ich weiterhin arbeiten. Vorher lebte ich in einer sportlichen Bubble und ohne den Zivildienst hätte ich nicht zu diesem Beruf gefunden. Die Arbeit mit Leuten hat mich weitergebracht und es ist inzwischen eine grosse Leidenschaft, mit Menschen mit einer Beeinträchtigung zusammenzuarbeiten. Die meisten Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, haben eine körperliche oder kognitive Beeinträchtigung. Die Menschen haben Freude an kleinen Dingen und geben viel zurück. Man überlegt sich dann selber wieder, dass man eigentlich selber auch mehr Freude an kleinen Dingen haben sollte. Das geht uns oft verloren.» Zum Ausgleich und Kopf lüften fährt Rutishauser regelmässig mit dem Rennrad. Vor allem am Anfang musste ich mich daran gewöhnen, den ganzen Tag drinnen zu arbeiten.

 

Weiterbildung zum Betriebsleiter

Nach dem Rücktritt vom Radsport arbeitete Matthias Studer weiterhin als Velomechaniker. «Die ersten zwei/drei Monate sass ich nicht mehr auf dem Velo. Doch dann packte es mich schnell wieder. Mit Sandro, welcher den Bikeshop in Aadorf führt und mein Arbeitgeber war, sass ich wieder auf dem Rad.» Danach absolvierte Studer den Zivildienst. Heute arbeitet er in Feuerthalen als Velomechaniker und ist wieder mehr mit dem Rennrad unterwegs. Berufsbegleitend absolviert Matthias Studer die Betriebsleiterschule, welche zwei Jahre dauert. Dies ist die höchste fachliche Ausbildung. «Ich habe im Hinterkopf, in weiterer Zukunft Berufsschullehrer zu werden. Dafür benötige ich diese Ausbildung. Ich möchte den Jugendlichen die Freude und den Stolz am Beruf weitergeben.»

 

Dank Studer wieder zum Radsport gefunden

Nach dem Karriereende sass Lukas Rutishauser fast ein Jahr lang nicht mehr auf dem Rennrad. «Den Abstand brauchte ich. Und irgendwann hat mich Matthias Studer mitgenommen auf eine Rennradausfahrt. Und die Freude am Radsport kam wieder.» Je nachdem, wie viel Rutishauser und Studer trainieren, bestreiten sie ab und zu ein Rennen. Studer: «Heute können wir je nach Lust und Laune ausfahren. Früher mussten wir bei Wind und Wetter, auch wenn es keinen Spass machte, diszipliniert trainieren. Wir mussten einfach. Und diese Disziplin hat uns im Job und im Leben weitergebracht.» Im letzten Jahr bezwangen die beiden Freunde mit den Rennrädern den Stelvio-Pass. «Das gemeinsame Erlebnis hat Spass gemacht. Es war kein Müssen, es war ein Highlight. Und Dank unserer Fitness wussten wir, dass wir nicht in der Hälfte des Anstiegs aufgeben mussten. Auch das Bergrennen Chur-Arosa bestritten beide zusammen, einfach so als «Tagesausflug». Auch am Engadiner Radmarathon entstand wieder, wie in jedem Rennen, das Rennen im Rennen. «Man merkt nicht gross, dass man ein Rennen bestreitet. Wenn Du die richtige Gruppe erwischst, macht es einfach Spass, zusammen zu fahren. Der Rang ist nicht relevant. »

 

Rennfeeling bei den Hobbyrennen

Den Ehrgeiz verliert man nicht, wenn man mal Spitzensportler war. Dazu Lukas Rutishauser: «Heute bestreite ich ab und zu ein Hobbyrennen, sicher nicht mehr so verbissen, aber immer noch mit Ehrgeiz. Man bereitet sich so wie man es gelernt hat vor, nimmt das ganze aber doch ein bisschen lockerer.»Im letzten Jahr habe ich für ein halbes Jahr nochmals mit einem Trainer zusammengearbeitet, eher als Experiment. In dieser Zeit, vom Frühjahr bis in den Sommer, trainierte ich fünf Mal in der Woche.  Im Winter hingegen trainiere ich eher nach Lust und Laune. Ich werde in diesem Frühjahr wahrscheinlich wieder vier bis fünf Mal pro Woche auf dem Rennrad sitzen. Sicher nicht mehr so strukturiert wie auch schon, einfach so, weil es Spass macht.»Studer kam im letzten Jahr auf beträchtliche 14 000 Kilometer auf dem Rennrad, nicht zuletzt Dank einem Arbeitsweg von 60 Kilometern täglich, welcher auch mal ausgedehnt wird. Bei Rutishauser waren es in der vergangenen Saison knapp 9 000 Kilometer. Das Radquer der Hobbyfahrer Anfang dieses Jahr in Meilen bestritten beide, Studer gewann, Rutishauser belegte den dritten Rang. «Mit den Weiterbildungen liegt nicht mehr drin. Und es ist nicht das, was wir suchen. Die Zeiten, an welchen wir an jedem Wochenende Rennen bestreiten, sind definitiv vorbei.» Beide bezeichnen das Rennfeeling als cool, wieder einmal zwischen den Zuschauern durchzufahren, mal einen Ellbogen auszufahren und sich auszupowern.

 

Nove Colli als Saisonziel

Angesagt sind bei Studer und Rutishauser ein paar Radquer und einige Hobby-Strassenrennen. Als Saisonhöhepunkt gilt das am 22. Mai in Italien stattfindende Radrennen Nove Colli in der Nähe von Cesenatico. Das Rennen über neun Berge führt über 205 Kilometer, wobei die Aufstiege 89 Kilometer betragen. Der steilste Berg hat ein Gefälle von 18 Prozent. Rund 11 000 Radrennfahrer grösstenteils aus Italien, jedoch auch aus der Schweiz, Deutschland und Österreich werden das Rennen bestreiten. Matthias Studer erzählt begeistert von seiner ersten Teilnahme im letzten Mai. «Es ist wirklich ein cooles Rennen. Man verbindet das Rennen mit ein paar Tagen Ferien. Man fährt eine Runde, geht einen Kaffee trinken und fährt wieder zurück. Da liegt am Abend auch mal ein Bier drin. Und am letzten Tag bestreitet man dann das Rennen.»Rückblickend sind sich Studer und Rutishauser einig: «Wir sind froh, konnten wir diesen Weg bestreiten. Und wir haben heute noch Freude am Radsport, was aufzeigt, dass wir das Richtige gemacht haben. Auch den Aufwand, den unsere Betreuer Godi Schmutz, Bruno Wolfer und Markus Kunz betrieben haben, ist im Nachhinein gesehen krass. Wir merken erst jetzt, dass sie nebst der Arbeit noch viel Aufwand für uns Rennfahrer betrieben haben. Ohne ein gutes Umfeld, die Unterstützung der Eltern und Trainer, hätten wir den Sport nicht betreiben können.»